Protest am Reichstag - Der Mann, der Berlin blamiert

Der Mann führt einen Privatkrieg: Mitten im Berliner Regierungsviertel hetzt ein Ex-DDR-Häftling mit Nazi-Parolen gegen die "rote Gefahr". Politiker sehen das Ansehen des Bundestags in Gefahr - aber die Behörden stehen sich im Umgang mit dem Querulanten gegenseitig im Weg.

Von Stefan Berg und John Goetz                                                                                                   31.03.2008

Berlin - Es ist nicht ganz leicht herauszufinden, wer im Bezirksamt von Berlin-Mitte für den Mann zuständig ist. Das Grünflächenamt, weil er den Weg am Tiergarten nutzt? Das Gewerbeamt, weil er auf Berliner Straßenland seine Bücher anbietet? Oder doch das Ordnungsamt, weil er Passanten schon tätlich angriff?

Dauerprotestierer Gustav Rust vor den Informationstafeln, die er zwischen die Kreuze des Mahnmals für Maueropfer in der Nähe des Reichstags gehängt hat: "Lulle, dit is Knastjargon"

 

 Foto: MARCO-URBAN.DE 

Klar aber ist, dass die Akte Gustav Rust im Bezirksamt äußerst umfangreich ist. Es geht um Polizeieinsätze, Beschwerden des Bundestagspräsidenten, ja sogar um außenpolitische Verwicklungen.

Gustav Rust, 67, ist der Mann vom Brandenburger Tor. Jeder Tourist, der entlang des Tiergartens vom Tor zum Reichstag geht, muss an ihm vorbei. Rust ist hochaufgeschossen, mit einem kantigen Schädel und markanten Zahnlücken, an seiner linken Hand baumelt eine Handschelle. Rust steht vor einer Reihe von Kreuzen, die an Maueropfer erinnern, zündet sich seine "Lulle" an und sagt: "Lulle, dit is Knastjargon." Er hat mehrere Jahre in der DDR in Haft gesessen, an das Unrecht will er unablässig erinnern.

Beschwerden von Diplomaten und Bundestagsabgeordneten

Niemand hat etwas dagegen, dass ein früherer DDR-Häftling die Verbrechen von SED und Stasi anprangert. Aber Rust ist ein aggressiver Wirrkopf. Immer neue Flugblätter montiert er an den Zaun zwischen die Kreuze: Auf einem wird vor der "FDJ-Aktivistin Angela Merkel" gewarnt, auf einem anderen vor der "PDS-Mörderbande". Der rote Terror, heißt es auf einem weiteren Aushang, habe nicht am 13. August 1961 begonnen, "sondern 1944, als russisch-asiatische Horden" in Ostpreußen Mädchen vergewaltigt hätten.

Asiatische Horden? Das ist Nazi-Jargon. Auf seiner Homepage wirbt Rust denn auch für ein Buch von Franz Schönhuber, Rust selbst schreibt: "Gewöhnt euch nicht den aufrechten Gang ab, weil ihr deutsche Soldaten wart!" Von seiner Homepage geht es über einen Link direkt weiter zum rechtsextremen Horst Mahler und zu einer Seite für Rudolf Heß. Ja, bestätigt Rust, er sei "nationaler Sozialist aber ohne Gaskammer".

Es ist nicht so, dass niemand um Rusts Ausfälle wüsste: Polnische Diplomaten beschwerten sich in Berlin, nachdem er sich mit einem Militärattaché angelegt hatte, Bundestagsabgeordnete forderten den Bundestagspräsidenten zum Eingreifen auf, es gehe schließlich auch um das Ansehen des Parlaments. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) findet Rusts Privatgedenkstätte furchtbar.

Verbindungen zu unappetitlichen Rechtsauslegern

Rust aber ist kein Einzelkämpfer er ist eng verbunden mit der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS), einer großen Opferorganisation, bei der es auch schon andere unappetitliche Rechtsausleger gab. VOS-Chef Bernd Stichler trat Ende 2006 zurück, nachdem bekannt geworden war, dass er Juden und Muslime als Besatzungsmächte bezeichnet hatte. Allerdings machte Stichler feine Unterschiede: "Ein Jude, der neben dir steht, der stinkt nicht, aber ein Kanake stinkt in der U-Bahn." Stichlers Rede ist auf Tonband erhalten, er will sich dazu heute nicht mehr äußern. Auch der jetzige VOS-Vize Hugo Diederich, Mitglied im ZDF-Fernsehrat, gab der rechten "Jungen Freiheit" schon Interviews.

Doch das Hauptproblem im Umgang mit Rust ist nicht sein Draht zur VOS, sondern das deutsche Behördenwesen. Die Zuständigkeit für den Fall ist so organisiert wie eine russische Matroschka-Puppe, in der immer kleinere Figuren stecken. Weder Bundesregierung, Bundestagspräsident noch Senat sind zuständig, allein das Ordnungsamt im Bezirk Mitte ist dafür verantwortlich, wie lange jemand an einem zentralen Platz der Republik sein Unwesen treiben darf. Zweimal wurde Rusts Gedenkstand abgeräumt, er hat ihn wieder aufgebaut.

Rusts Generalentschuldigung: seine "Knastmacke"

Die Leute vom Amt, das bestätigt einer ihrer Vorgesetzten, scheuen inzwischen den Weg zum Brandenburger Tor. Denn sie kennen die Urteile gegen Rust. Schon 2004 war er verurteilt worden  wegen Körperverletzung. Am 6. November vergangenen Jahres wurde er erneut wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, allerdings auf Bewährung. Laut Urteil hatte Rust einem Mann mit der Faust ins Gesicht geschlagen, "so dass dieser Schmerzen im linken Kieferbereich und im Kiefergelenk erlitt". Zugunsten des Angeklagten wurde jedoch davon ausgegangen, dass er unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, deshalb könne er nicht genau bewerten, was er tut. Rust drückt sich einfacher aus: Er habe eine Knastmacke.

Und so steht er bis zum nächsten Ausraster keine Werbung für Deutschland zwar, aber immerhin doch ein anschauliches Beispiel dafür, wie die Republik funktioniert. Man hoffe, sagt ein Mann vom Bezirksamt Mitte, dass Rust irgendwann nicht mehr mit Bewährung davonkommt.

Protest am Reichstag: Der Mann, der Berlin blamiert - DER SPIEGEL

Seit Frühjahr 1999 betrieb ich am Mahnmal „Weiße Kreuze“ einen kleinen Bücherstand und sammelte Spenden zur Pflege des Mahnmals. Mehrmals wurde ich von scheinbaren Touristen provoziert weil ihnen der Inhalt meiner ausgehängten Plakate und die Auslagen am Stand nicht passten.  Nur deutsche Touristen aus dem Westen rissen mehrfach einige der Plakate ab. Wenn sie dann eine Schelle bekamen riefen sie die Polizei. 

Während mehr als 9 Jahren Haft in der „DDR“ befasste ich mich mit dem Selbststudium der Werke Marx/Engels/Lenin.

Für die Schmierfinken vom Spiegel: 

Friedrich Engels: „Dieses Riesenreich im Osten wird zusammengehalten von einem Despotismus von dessen Grausamkeit und Willkür wir uns hier nicht die geringste Vorstellung machen können. Seit Iwan dem Schrecklichen herrscht dort die Knute - asiatische Barbarei.“ !  

Etwa eine Woche nach den beiden Spiegel-Knechten besuchte mich der polnische Militärattaché, unterhielt sich mit mir und spendete 10 EUR zur Pflege des Mahnmals. Nach einer weiteren Woche erschien ein polnisches Rundfunk- und Fernsehteam wovon die Skribenten des Spiegel natürlich nichts wissen konnten... 

Die Gedenkstätte Sachsenhausen reichte gegen mich Klage wegen sogenannter „Volksverhetzung“ ein. Am Anfang wollte das Amtsgericht Tiergarten 1.200 EUR Strafe kassieren. Ich schrieb, daß ich die Strafe absitzen will. Nun wurde eine Hauptverhandlung anberaumt, das Verfahren wurde eingestellt.

Hier ein Artikel des Tagesspiegel:

Tagesspiegel, 19.06.2023 Unverständnis in der Gedenkstätte Sachsenhausen:

Berliner Gericht stellt Volksverhetzungs-Verfahren ein

Der Vertrieb von Schriften, die den Einsatz von Gaskammern im KZ Sachsenhausen

leugnen, soll in einem konkreten Fall keine Straftat sein. Die vom Gericht vorgetragene

Begründung irritiert.                                                                     Von Julius Geiler

„Der Mann, der Berlin blamiert“: So hat der „Spiegel“ vor mehr als 15 Jahren über Gustav Rust geschrieben. Der damals 67-jährige Rust galt als fester Bestandteil des Regierungsviertels. Auf einem Weg im Tiergarten zwischen Brandenburger Tor und Bundestagsgebäude hielt der ehemalige DDR-Häftling eine Dauermahnwache an einer Reihe von weißen Kreuzen ab, die an die Opfer der Mauer erinnern sollen.

Soweit so harmlos. Doch mit der Zeit tauchten von Rust angebrachte Flyer im Nazi-Jargon auf. Immer wieder kam es zu verbalen und sogar körperlichen Aggressionen gegenüber Passanten. In einem Fall legte sich Rust mit einem polnischen Diplomaten an. Der Mann wurde zum Problem für Bezirk und Stadt, wirkte peinlich inmitten des repräsentativen Regierungsviertels. Schon damals betrieb der Dauer-Protestierer eine Website, die zu Werken von Holocaustleugnern wie Horst Mahler weiterleitete.

Mitte Mai 2023, Rust ist mittlerweile 83 Jahre alt, wird in einem Rollstuhl durch die engen Gänge des Amtsgerichts Tiergarten geschoben. Er hat offenbar nichts an seiner stets vorhandenen Überzeugung eingebüßt, grundsätzlich im Recht zu sein. Rust ist angeklagt wegen Volksverhetzung. Der gelernte Schweißer hatte zuvor Post von der Staatsanwaltschaft in sein Schöneberger Pflegeheim bekommen. Ein Strafbefehl wegen Volksverhetzung – natürlich legte der 83-jährige Einspruch ein. Und so entsteht bis zum Ende der zähen Gerichtsverhandlung der Eindruck, dass Gustav Rust eigentlich gar nicht weiß, wieso er überhaupt angeklagt ist.

Den Stein hatte ein Historiker der Gedenkstätte Sachsenhausen ins Rollen gebracht. Bei Recherchen stieß der Mann, der von der Vorsitzenden auch als Zeuge angehört wird, auf die chaotische Homepage von Gustav Rust und eine bis dato unbekannte englische Fassung eines Erinnerungsberichts von Gerhart Schirmer, der im Zweiten Weltkrieg als Luftwaffenoffizier

für die Wehrmacht kämpfte. Das deutsche Originalwerk, das im rechtsextremen Grabert-

Verlag erschienen ist, wurde 2002 vom Amtsgericht Tübingen eingezogen und der Vertrieb in

Deutschland verboten.

„Na, wegen der Gaskammern“

In der Schrift wird unter anderem die Existenz von Gaskammern im Konzentrationslager

Sachsenhausen im Dritten Reich angezweifelt. Diese wären, so die Behauptung, durch die Alliierten nach der Befreiung eingebaut worden. Auch wäre die Zahl der während der Shoa ermordeten Juden viel geringer als angegeben, erklärt Schirmer.

Warum hat Gustav Rust dieses Buch über seine Website verkauft? „Na, wegen der Gaskammern“, sagt er vor Gericht. Und: „Ausländische Historiker wollen uns unsere Geschichte erklären, als wären wir dumme Kinder“. Wie es um die Freiheit in der Bundesrepublik bestellt sei, sehe man schließlich am Volksverhetzung-Paragrafen, erklärt der 83-Jährige seelenruhig der Vorsitzenden. Dabei wirkt er abgeklärt und souverän.

Schirmer gilt vor allem, was die „Gaskammer-Thematik“ angeht, in der Szene internationaler

Holocaustleugner als Kronzeuge. Vor Gericht gibt Rust zu, über das Verbot des Werkes Bescheid gewusst zu haben. Er selbst habe es schließlich ins Englische übersetzen lassen, berichtet Rust, als wäre der Vorgang eine Lappalie. Dabei habe zweimal telefonischer Kontakt zu Schirmer bestanden. Am 15. Mai vertagt die Richterin die Urteilsverkündung nach mehreren Stunden Verhandlungsdauer.

Irritierende Begründung: „Sowieso überall erhältlich“

Ende Juni teilt das Berliner Amtsgericht schließlich der Gedenkstätte Sachsenhausen telefonisch mit, dass sich das Gericht ohne weiteren Verhandlungstag dazu entschieden hätte, das Verfahren einzustellen. Auf Anfrage heißt es, der Angeklagte befände sich in einem schlechten körperlichen Zustand. Zum anderen seien die betreffenden Schriften von seiner Homepage genommen worden, würden also offenbar nicht mehr vertrieben. Außerdem wird die Einstellung des Verfahrens damit begründet, dass die betreffenden Schriften, „sowieso überall erhältlich“ seien. Dem Angeklagten sei es daher schwer nachzuweisen gewesen, dass er vom Verbot der Schriften wusste.

Die Begründung irritiert in Sachsenhausen. Zwar sei es „zu begrüßen“, dass der Vertrieb der Schrift durch Rust offenbar eingestellt wurde. Doch weitere Ausführungen des Gerichts seien

„teilweise nicht nachvollziehbar“, so der Sprecher der Gedenkstätte, Horst Seferens. Gustav Rust selbst habe im Gerichtssaal zugegeben, vom Verbot der Schrift gewusst zu haben.

Absurd wirkt die Begründung des Gerichts für die Einstellung auch, weil Rust noch während des Verfahrens auf seiner Website für die englische Version des Buches geworben hatte. Dort war zu lesen: „The publishing of the book in German is banned. A version in English is available only from me!“ (Deutsch: Der Vertrieb des Buches in Deutschland ist verboten.

Eine englische Version ist nur bei mir erhältlich.“ )

Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/unverstandnis-in-der-gedenkstatte-sachsenhausen-

berliner-gericht-stellt-volksverhetzungs-verfahren-ein-10143715.html


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